Ein leuchtendes Straßenschild mit einem Zahnrad und "EU" zeigt nach links in eine futuristische, neonbeleuchtete digitale Landschaft.

Der EU AI Act ist da: Was KMUs und Solo-Selbstständige jetzt wissen müssen

Der EU AI Act – die europäische Verordnung zur Künstlichen Intelligenz – ist nicht länger nur ein Thema für die Zukunft. Seit seinem Inkrafttreten werden schrittweise Regelungen wirksam, und bis zur zweiten Jahreshälfte 2025 werden bereits erste wichtige Vorgaben für Unternehmen gelten. Für viele in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie für Solo-Selbstständige mag dies zunächst nach einer weiteren komplexen Regulierungswelle klingen. Doch ein grundlegendes Verständnis der Kernpunkte ist unerlässlich, um KI verantwortungsvoll einzusetzen, rechtliche Fallstricke zu vermeiden und das Vertrauen von Kunden zu stärken.

Dieser Beitrag gibt einen ersten Überblick über die Aspekte des EU AI Acts, die für KMUs und Solo-Selbstständige besonders relevant sind.

Das Ziel des EU AI Acts: Vertrauen und Sicherheit in KI

Das Hauptziel der EU-Verordnung ist es, einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen für die Entwicklung, das Inverkehrbringen und die Nutzung von KI-Systemen zu schaffen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Schutz von Grundrechten, die Sicherheit der Nutzer und die Förderung von vertrauenswürdiger, menschenzentrierter KI. Es geht nicht darum, Innovation zu bremsen, sondern klare Spielregeln für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser mächtigen Technologie zu definieren. Der EU AI Act ist zu finden unter artificialintelligenceact.eu/de/.

Der risikobasierte Ansatz: Nicht jede KI ist gleich betroffen

Ein zentrales Element des EU AI Acts ist der risikobasierte Ansatz. KI-Anwendungen werden in verschiedene Risikoklassen eingeteilt, und die damit verbundenen Pflichten richten sich nach dem potenziellen Risiko, das von ihnen ausgeht:

  1. Unannehmbares Risiko: Bestimmte KI-Systeme, die als klare Bedrohung für die Sicherheit, die Lebensgrundlagen und die Rechte von Menschen angesehen werden, sind grundsätzlich verboten. Dazu zählen beispielsweise Social Scoring durch öffentliche Behörden oder Systeme, die unterschwellige Techniken zur Verhaltensmanipulation einsetzen. Für die meisten KMUs dürften diese Verbote weniger direkte Auswirkungen haben, es sei denn, sie würden solche Systeme entwickeln oder gezielt einsetzen wollen.
  2. Hohes Risiko: KI-Systeme in diesem Bereich unterliegen strengen Anforderungen, bevor sie auf den Markt kommen und während ihres gesamten Lebenszyklus. Dazu gehören beispielsweise KI-Systeme in kritischen Infrastrukturen, in der medizinischen Diagnose, in der Personalbeschaffung (z.B. Software zur Vorauswahl von Bewerbern) oder in bestimmten Sicherheitskomponenten von Produkten. KMUs, die solche Systeme entwickeln oder als Anbieter auftreten, müssen umfangreiche Pflichten erfüllen (z.B. Risikomanagementsysteme, Datenqualitätsmanagement, technische Dokumentation, menschliche Aufsicht). Auch KMUs, die hochriskante KI-Systeme einsetzen, müssen sicherstellen, dass diese konform sind und die Nutzungshinweise beachten.
  3. Begrenztes Risiko: Bei KI-Systemen mit begrenztem Risiko stehen Transparenzpflichten im Vordergrund. Nutzer müssen darüber informiert werden, wenn sie mit einer KI interagieren (z.B. bei Chatbots) oder wenn Inhalte (Texte, Bilder, Videos – sogenannte Deepfakes) mit KI generiert oder manipuliert wurden. Diese Regelungen sind für KMUs sehr relevant, da viele gängige KI-Tools in diese Kategorie fallen können. Die Kennzeichnungspflicht soll sicherstellen, dass Menschen nicht getäuscht werden.
  4. Minimales oder kein Risiko: Die überwiegende Mehrheit der heute gängigen KI-Anwendungen dürfte in diese Kategorie fallen (z.B. KI-gestützte Spamfilter, Bestandsverwaltungssysteme, viele einfache Analyse-Tools). Für diese Systeme sieht der EU AI Act keine neuen, verpflichtenden Regelungen vor, sondern ermutigt zu freiwilligen Verhaltenskodizes.

Was bedeutet das konkret für KMUs und Solo-Selbstständige (Stand 2. Hbj. 2025)?

  • Inventarisierung der KI-Nutzung: Es wird immer wichtiger, einen Überblick darüber zu haben, wo und wie KI im eigenen Unternehmen eingesetzt wird. Welche Tools werden genutzt? Welche Prozesse werden unterstützt?
  • Fokus auf Transparenz: Die Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte und die Information über den Einsatz von Chatbots sind bereits jetzt wichtige Aspekte, die beachtet werden sollten. Dies schafft Vertrauen bei Kunden und Partnern.
  • Sorgfalt bei der Auswahl von KI-Tools: Beim Einsatz von KI-Software von Drittanbietern sollte darauf geachtet werden, inwieweit diese Anbieter die Anforderungen des EU AI Acts berücksichtigen, insbesondere wenn es sich um potenziell hochriskante Anwendungen handelt.
  • Mitarbeitende sensibilisieren und schulen: Unternehmen sind angehalten, ihre Mitarbeitenden über die relevanten Aspekte des EU AI Acts und den verantwortungsvollen Umgang mit KI-Systemen im Unternehmen zu informieren und gegebenenfalls zu schulen. Dies fördert ein einheitliches Verständnis und die Einhaltung der Vorgaben.
  • Sensibilisierung und Information (allgemein): Es ist ratsam, sich kontinuierlich über die Entwicklungen und spezifischen Auslegungen des EU AI Acts zu informieren, da weitere Leitlinien und Standards veröffentlicht werden.
  • Prüfung eigener Entwicklungen: Falls KMUs selbst KI-Systeme entwickeln, die potenziell in die Kategorie „hohes Risiko“ fallen könnten, ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den detaillierten Anforderungen des Acts unerlässlich.

Keine Panik, sondern proaktive Auseinandersetzung

Der EU AI Act bringt neue Verpflichtungen mit sich, bietet aber auch die Chance, einen Rahmen für vertrauenswürdige KI zu schaffen. Für KMUs und Solo-Selbstständige geht es nicht darum, zu Rechtsexperten zu werden, sondern die Grundprinzipien zu verstehen und die für das eigene Geschäft relevanten Aspekte proaktiv anzugehen. Viele der Anforderungen, wie Transparenz, Sorgfalt und die Sensibilisierung der Mitarbeitenden, sind ohnehin Bestandteil guter unternehmerischer Praxis.

Die schrittweise Einführung der Regelungen gibt Unternehmen Zeit, sich anzupassen. Es empfiehlt sich, diese Zeit zu nutzen, um die eigene KI-Nutzung zu reflektieren und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar – wenden Sie sich bei Fragen zu ihrer Situation an entsprechende Fachkräfte oder bauen Sie eigenes Know-How in Form von Weiterbildung zum KI-Beauftragten auf.

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